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Rundum geschützt

Sämtliche Sicherheitsvorkehrungen in Kernkraftwerken haben ein Ziel: Weder im täglichen Betrieb noch bei Störfällen darf Radioaktivität Mitarbeitende, Bevölkerung und Umwelt gefährden. Bauliche, technische und organisatorische Massnahmen sorgen deshalb dafür, dass die Anlage einwandfrei funktioniert sowie vor Einwirkung von aussen und innen geschützt ist.

Vor Radioaktivität geschützt

Kernkraftwerke werden nach dem «Matrioschka-Prinzip» gebaut. Wie bei diesen ineinander geschachtelten russischen Holzpuppen schliessen mehrere Schutzhüllen den Reaktor sicher ein. Die äusserste Hülle, das Reaktorgebäude aus meterdickem Beton, schirmt die Umwelt vor Radioaktivität ab und schützt die Anlage zugleich gegen Einwirkungen von aussen. Darunter liegt das Containment, auch Sicherheitsbehälter genannt, aus massivem Stahl. Es schliesst den biologischen Schild (eine dicke Abschirmung aus Stahlbeton) sowie den Reaktordruckbehälter vollständig und luftdicht ein. Im Reaktordruckbehälter wiederum ist der Reaktorkern eingeschlossen. Und der Brennstoff selbst ist in die Brennstäbe verpackt, deren Hüllrohre gasdicht verschweisst sind.

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Diese Barrieren wirken wie ineinander gestellte Gefässe. Bei einem Leck sorgen die übrigen Behälter weiterhin für Sicherheit. Bis gefährliche Mengen an Radioaktivität austreten können, müssten gleichzeitig sämtliche Behälter undicht werden. Das ist extrem unwahrscheinlich.

Mehrfach ineinander geschachtelt: Versagt ein Behälter, sorgen die übrigen weiterhin für Sicherheit. (Bild: Nuklearforum Schweiz)

Im Containment herrscht zudem ein Unterdruck. Bei einem Leck würde deshalb Luft von aussen ins Containment dringen, nicht umgekehrt. Sollte sich dennoch innerhalb des Containments ein Überdruck aufbauen, so könnte Luft über ein spezielles Filtersystem abgelassen werden. Diese sogenannt gefilterte Druckentlastung würde über 99 Prozent der radioaktiven Stoffe (vor allem Iod, Caesium und Aerosole) im Kernkraftwerk zurückhalten. Uran und Plutonium sind schwerflüchtig und gelangen praktisch nicht in die Umgebung. Nur radioaktive Edelgase (Xenon und Krypton) würden in die Luft abgegeben, dort aber rasch zerfallen. Systeme zur gefilterten Druckentlastung wurden bereits vor über 20 Jahren in die Schweizer Kernkraftwerke eingebaut.

Vor Terror und Sabotage geschützt

Die Gefahr von Terroranschlägen wurde bei den Schweizer Kernanlagen schon bei der Planung berücksichtigt. Wie sicher die Kernkraftwerke bei einem Angriff mit grossen Verkehrsflugzeugen wären, überprüften die Aufsichtsbehörden nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 in New York. Die Ergebnisse zeigen, dass die jüngeren Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt nahezu einen Vollschutz aufweisen. Aber auch die älteren Anlagen Beznau und Mühleberg sind gut geschützt, vor allem wegen den bereits zuvor nachgerüsteten, speziell gebunkerten Notstandssystemen. Da Sicherheitsanalysen per Gesetz aktualisiert werden müssen, hat das ENSI im Frühling 2013 das Thema des vorsätzlichen Flugzeugabsturzes wieder aufgegriffen. Unter Berücksichtigung der technischen Entwicklungen der letzten Jahre wurden 2018 die Untersuchungen aus dem Jahr 2003 aktualisiert und den Kraftwerken erneut ein guter Schutz ausgewiesen.

Um Cyberattacken in Kernkraftwerken zu verhindern, werden die Informationssysteme ausserordentlich streng geschützt. Wichtige sicherheitsrelevante Software-Systeme funktionieren autark, d.h. sie sind nicht mit der Aussenwelt verbunden (z.B. über Internet). Physikalische Zutrittsbarrieren zu den sensitiven Leittechniksystemen verhindern das Eindringen von Computerviren. Speziell beim Einbau neuer Systeme werden Fragen der IT-Sicherheit umfassend berücksichtigt. Nur ein sehr begrenzter und überprüfter Personenkreis mit langjährigen Ausbildungen und Fachkenntnissen hat Zugang zu den Systemen. Zudem werden sämtliche Mitarbeitende im sicheren Umgang mit elektronischen Informationssystemen geschult. Das eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) hat entsprechende werkspezifische Sicherheitskonzepte der Kernkraftwerke geprüft und positiv beurteilt. 

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Vorsorge gegen Flugzeugabsturz: Schutz durch meterdicken Beton. (Bild: KKG)

Vor Erdbeben und Flut geschützt

Kernkraftwerke werden so gebaut – oder nachgerüstet –, dass sie schweren Erdbeben widerstehen können. Wie auch für Staumauern gelten für Kernkraftwerke weitaus strengere Bestimmungen als für Normalbauten. Kernkraftwerke gehören daher zu den erdbebensichersten Bauten der Schweiz.

Die Schweizer Anlagen wurden bewusst im Mittelland gebaut. Denn Erdbeben treten hier sehr selten auf, und die schwersten beobachteten Beben erreichten nur die Stärke von 6. Bei einer durchschnittlich anzunehmenden Entfernung vom Epizentrum würden die Kernkraftwerke solche Beben ohne wesentliche Schäden überstehen. Das Erbeben in Japan vom Frühling 2011 erreichte die Stärke 9. Es hatte also einen tausend Mal höheren Energiegehalt als die stärksten, im Schweizer Mittelland bisher gemessenen Erdbeben. Selbst diesem extremen Beben hielten die Japanischen Kernkraftwerke stand – wenngleich nicht alle dem darauffolgenden Tsunami.

Die Erdbebensicherheit der Schweizer Kernkraftwerke wurde von 2008 bis 2013 erneut im Pegasos Refinement Project untersucht. Das Projekt wurde auf der höchsten und anspruchsvollsten Stufe eines international anerkannten Vorgehens durchgeführt – lediglich die Schweiz und die USA können dies vorweisen. Die Studie zeigte, dass die Gefährdung der Anlagen durch Erdbeben geringer ist als bisher angenommen.

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Erdbebenschutz als Daueraufgabe: Bodenuntersuchen in einem Schweizer Kernkraftwerk. (Bild: KKG)

Auch der Schutz vor Extremereignissen wie Überflutung gehört zu den Sicherheitsvorkehrungen. Deshalb sind alle Anlagen mit hochwassersicheren, gebunkerten Notstandssystemen ausgestattet.

Nach dem Unfall in Fukushima wurde der Hochwasserschutz erneut unter die Lupe genommen. Doch das ENSI konnte bestätigten, dass alle schweizerischen Kernkraftwerke auch ein extremes Hochwasser, wie es durchschnittlich alle 10’000 Jahre einmal vorkommen kann, überstehen können. Dies sogar, wenn gleichzeitig die externe Stromversorgung ausfallen und alle flussaufwärts liegenden Staudämme brechen würden. Die geltenden Grenzwerte würden von allen Anlagen deutlich eingehalten.

Automatisch geschützt – die Schnellabschaltung

Ungeplante Schnellabschaltungen von Kernreaktoren kommen ab und zu vor. Sie sind auch ein positives Signal: Die Sicherheitssysteme funktionieren, der automatische Reaktorschutz hat den Reaktor schnell heruntergefahren. Dies tritt ein, wenn ein bis zwei physikalische Grössen, die durch das engmaschige Netz von Messinstrumenten in der Anlage überwacht werden, vorgegebene Grenzwerte erreichen, beispielsweise im Bereich Druck, Temperatur, Neutronenfluss und Aktivität.

Bei einer Schnellabschaltung werden die Regelstäbe innert weniger Sekunden in den Reaktorkern eingeführt, was die Kernspaltung sofort unterbricht. Darauf werden die Turbinen abgeschaltet und der Generator vom Stromnetz getrennt. Der Reaktor wird weiter gekühlt und die Nachzerfallswärme abgeführt, welche die Spaltprodukte in den Brennstäben erzeugen. Der Reaktor befindet sich so in einem sicheren Zustand.

Das Reaktorschutz- und Schnellabschaltsystem umfasst alle Geräte von der Instrumentierung über den Logikteil bis zur Steuerebene, die zur Auslösung von Schutzaktionen notwendig sind. Mehrere voneinander unabhängige Auslösekanäle stellen sicher, dass der Reaktor selbst bei Stromausfall und auch von Hand sicher und schnell abgeschaltet werden kann.

So schützt das automatische Schnellabschaltungssystem die Anlage auch vor unzulässiger Beanspruchung. Es vermindert die Auswirkungen von Betriebsstörungen auf ein ungefährliches Mass und hilft, Schäden an Komponenten zu vermeiden.

Die Betreiber der Kernkraftwerke sind für die Sicherheit in und um die Anlagen verantwortlich. Bei Auslegung, Bau und Betrieb der Anlagen müssen sie Schutzmassnahmen nach international anerkannten Grundsätzen treffen. Sie haben zudem Notfallschutzmassnahmen vorzubereiten. Für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken arbeiten die Betreiber der Kernkraftwerke eng mit den verschiedenen Bundesstellen (Einsatzorganisation bei erhöhter Radioaktivität EOR), den Kantonen und Gemeinden zusammen.

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