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23.09.2018

Radioaktivität in Fukushima

Walter Rüegg, ehemaliger Chefphysiker der Schweizer Armee, gibt Auskunft zu Strahlung

Radioaktivität in Fukushima

Herr Rüegg, Sie haben sich über viele Jahre beruflich mit Radioaktivität auseinandergesetzt und sind mit ihrer Wirkung und ihren Eigenschaften bestens vertraut. Warum, glauben Sie, fürchten sich so viele Menschen vor Radioaktivität?

Radioaktivität verbindet man mit Atombomben, die ohne Frage grauenhafte Zerstörung verursachen können. Aber die Radioaktivität spielt dabei nur eine Nebenrolle. Denn in Hiroshima forderten  Hitzestrahlung, Druckwelle und Feuersturm mehr als 90 Prozent der Opfer. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen konsistent: Der nukleare Fallout hatte relativ wenig Auswirkung – inklusive Langzeitopfer. Doch die Radioaktivität wurde zur Projektionsfläche für alle Schrecken eines Nuklearkrieges. Eine irrationale Angst vor Radioaktivität ist uns bis heute geblieben.

Gewiss ist Radioaktivität unheimlich: weder sieht, hört noch fühlt man sie. Aber dasselbe gilt für viele andere Giftstoffe, die zudem oft deutlich schädlicher wirken. Laut einem Bericht der UNO sterben jedes Jahr weltweit über eine Million Menschen auf Grund von Vergiftungen. Aber Radioaktivität ist eben viel stärker negativ behaftet als diese Giftstoffe, und die Medien stehen ihr ungleich kritischer gegenüber. So berücksichtigen sie oft nicht, dass es sich zumeist um vergleichsweise kleine, rein hypothetische (also nicht nachweisbare) Risiken handelt. Kommt dazu, dass wir in unseren Schulen wenig bis gar nichts über Radioaktivität lernen. Deshalb entstehen derart krasse Missverständnisse, wie man sie in kaum einem andern Gebiet findet. So verwundert es nicht, dass die Bevölkerung nicht richtig informiert ist – und die Radioaktivität fürchtet.

Was sind denn die grössten Missverständnisse im Zusammenhang mit Radioaktivität?

Die grössten Missverständnisse betreffen die Wirkungen von Kleindosen. Die Öffentlichkeit überschätzt diese Wirkungen extrem, wie  mehrere Untersuchungen gezeigt haben. Man vergisst völlig, dass wir von der natürlichen Radioaktivität aus dem Boden und All sowie in unserem eigenen Körper  ununterbrochen heftig bestrahlt werden. Jede Sekunde durchqueren uns etwa 20‘000 Strahlenteilchen, ein Leben lang. Je nach Zusammensetzung des Untergrundes können es auch weit über 100‘000 sein. Doch selbst dann zeigen sich keine negativen Effekte, ganz im Gegenteil: Solche Orte gelten als ausgesprochen gesund. Inzwischen weiss die Wissenschaft auch recht genau, warum dem so ist.

Trotzdem wollen Kernenergiegegner der Bevölkerung ständig weismachen, dass ein einziges Strahlenteilchen Krebs oder Missbildungen verursachen kann. Durch die so ausgelösten Ängste und das in der Folge überstrapazierte Vorsorgeprinzip wurden unsere Grenz- und Regulierungswerte immer weiter nach unten geschraubt. Sie sind heute derart tief, dass die natürliche Strahlung eigentlich vollkommen illegal ist. Die Risiken bei diesen Werten sind verschwindend klein gegenüber andern Alltagsrisiken und Umwelteinflüssen. Es wäre angezeigt, dass Gesundheitsbehörden, Politiker und Medien diese Zusammenhänge endlich transparent machen und sachliche Risikovergleiche anstellen.

Aber Fukushima zeigt doch, wie verheerend Strahlung ist. Grosse Gebiete wurden auf lange Zeit unbewohnbar. Wie ist das zu verstehen?

Wie wir die Strahlenbelastung in und um Fukushima nach der Nuklearkatastrophe einordnen können, zeigt folgender Vergleich: Auf Grund der extrem tiefen gesetzlichen Grenzwerte wurden rund 100‘000 Menschen evakuiert. Das Dilemma: Wendet man diese Grenzwerte auch auf die natürliche Strahlenbelastung an, so müsste man auch grosse Teile der Schweizer Alpen evakuieren. Denn die Strahlendosis, die Alpenbewohner während ihres Lebens erhalten, ist vergleichbar mit der Dosis bei einem lebenslänglichen Aufenthalt in der Evakuationszone von Fukushima. Ähnlich starke natürliche „Verseuchungen“ findet man in praktisch jedem Land: in Italien im Piemont und um Rom und Neapel; in Frankreich im Massif Central; in Deutschland im Schwarzwald und im Erzgebirge usw. Alleine in Europa müsste man konsequenterweise viele Millionen Bewohner evakuieren. Umgekehrt stellt sich die Frage, warum die Menschen in Fukushima nicht in ihre Häuser zurückkehren dürfen.
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