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23.01.2025

«Für mich war das Abschalten des KKM ein sehr emotionaler Moment»

Von Mühleberg zu swissnuclear: Nils Röthlisberger über seine Ausbildung zum Reaktoroperateur, die Abschaltung des Kernkraftwerks Mühleberg und seinen spannenden Alltag in der Kraftwerksunterstützung von swissnuclear.

«Für mich war das Abschalten des KKM ein sehr emotionaler Moment»

Wie verlief dein Einstieg in die Welt der Kernenergie? Was fasziniert dich an Kernkraftwerken?

Vor meiner Zeit im Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) absolvierte ich eine Lehre als Konstrukteur EFZ und bildete mich danach zum Techniker HF weiter. 2014 kam ich als Quereinsteiger ins KKM und war vor meinem Arbeitsbeginn am Fusse des Wohlensees eher kritisch gegenüber der Kernenergie eingestellt. Ich war wahrscheinlich beeinflusst durch die Medienberichterstattung der frühen 2010er-Jahre und hatte zugegebenermassen nur wenig Berührungspunkte zur Kernkraft.

Die BKW Energie AG hatte aber einen sehr guten Ruf als Arbeitgeber, weshalb ich mich entschied, mich zu bewerben. Wie auch andere Interessierte begleitete ich im Rahmen eines sogenannten Schichtpraktikums eine Spätschicht im Werk. Es war für mich sehr interessant und beeindruckend, die vielen Systeme zu erleben, die zusammen den Betrieb eines Kernkraftwerks ermöglichen.

Ich war und bin immer noch fasziniert von der Technik und von den Dimensionen der Anlagen: riesige Motoren und Pumpen, die auch nach Jahren des Betriebs noch sehr gut unterhalten sind. Ebenfalls hat mir die Kollegialität im Werk sehr gut gefallen. Alle arbeiteten gemeinsam und zogen am gleichen Strick, um den Betrieb «ihrer» Anlage sicherzustellen.

Wie verlief deine Ausbildung zum Operateur? Welche Herausforderungen gab es zu meistern?

Die Ausbildung ist sehr strukturiert und lehrreich. Zusammen mit fünf anderen Personen habe ich im Oktober 2014 als Anwärter Reaktoroperateur im KKM angefangen. Wir wurden an die Systeme herangeführt und in die Arbeitsabläufe eingebunden. Nach einem Jahr absolvierte ich die Abschlussprüfung zum Vorortoperateur. Diese interne Prüfung dauerte einen Tag und war sehr intensiv. Während eines Rundgangs durch die Anlage stellten ein mich begleitender Schichtleiter sowie jemand aus der Ausbildungsabteilung des Werks vielerlei Fragen, um die von mir erworbenen Kenntnisse zu überprüfen.

Im Anschluss an die erste Prüfung absolvierte ich während rund sechs Monaten den Kompaktkurs, der damals am Paul Scherrer Institut (PSI) angeboten wurde. Da ich mich nach meiner Lehre bereits zum Techniker HF weitergebildet hatte, fokussierte sich die Ausbildung auf mein Wissen zur Kernenergie. Jeweils am Sonntagabend fuhr ich von zu Hause nach Bad Zurzach, wo ich zusammen mit anderen Kursteilnehmenden unter der Woche wohnte. Am Ende des Kurses fand eine Abschlussprüfung statt, in deren Rahmen theoretisches, wie auch praktisches Wissen abgefragt wurden.

Nach dem Bestehen der Prüfung folgte eine 6-wöchige Grundausbildung im Simulator sowie ein Kurs zur Siedewasser-Technologie, auf welcher der Reaktor des KKM basierte. Der Ausbildungskurs schloss mit einer 3-stündigen Prüfung ab, bei der Vertreter des KKM und des Eidgenössischen Nuklearinspektorats (ENSI) anwesend waren. Danach arbeitete ich als Reaktoroperateur im KKM, absolvierte zweimal pro Jahr Schulungen im Simulator, bildete mich zum A-Operateur weiter und erreichte somit die letzte Stufe vor dem Schichtleiter.

Wie hast du das Ende des Betriebs des Kernkraftwerks Mühlebergs erlebt?

Als Mitarbeiter eines Kernkraftwerks hat man eine besondere Bindung zum jeweiligen Werk. Auch ich hatte das Gefühl, dass das KKM gewissermassen «meine» Anlage ist. Man pflegt die Anlage, mit dem Ziel, dass alles perfekt ist. Für mich war das Abschalten des KKM ein sehr emotionaler Moment. Wir wussten alle, dass der Tag kommen und anschliessend der Nachbetrieb bzw. der Rückbau der Anlage beginnen würde.

Während der Übergangsphase vom Betrieb Richtung Stilllegung und Rückbau hatte ich gemischte Gefühle. Die Mitarbeitenden im KKM waren nicht nur irgendein Team, sondern eine sich unterstützende Familie. Viele sind im Werk geblieben und haben neue Aufgaben übernommen. Den auf die Abschaltung und den Medienrummel folgenden Nachbetrieb erlebte ich wie eine ständig fortlaufende Revision, was sehr interessant war.

Nach dem ersten Jahr Nachbetrieb nahm der Arbeitsaufwand im täglichen Betrieb laufend ab, worauf ich mich entschloss, 2022 eine neue Herausforderung anzugehen. Im Wissen um die Einstellung des Betriebs des KKM hatte ich zuvor berufsbegleitend ein BA-Studium absolviert und mich zum Wirtschaftsingenieur weitergebildet, was - zusammen mit meinen Erfahrungen aus dem Werksalltag - sehr hilfreich für meinen Einstieg bei swissnuclear war.

Was machst du bei swissnuclear? Was ist das Spannende daran?

Ich arbeite in der Abteilung Kraftwerksunterstützung. In meinem beruflichen Alltag habe ich mit den verschiedensten Themen zu tun und Kontakt mit den unterschiedlichsten Anspruchsgruppen, was die Arbeit sehr spannend macht. Ich arbeite mehr als Generalist, denn als Spezialist.

Vom Namen meines Fachbereichs ausgehend, unterstütze ich die Kernkraftwerke hinsichtlich Betrieb und Rückbau und koordiniere übergreifende Projekte sowie Arbeitsgruppen der Gruppe der Schweizer Kernkraftwerksleiter (GSKL). Zudem beschäftige ich mich in vielerlei Hinsicht mit dem Regelwerk des ENSI. In diesem Zusammenhang organisiere ich das sogenannte Regelwerksseminar, in dessen Rahmen Mitarbeitende der Werke in die Welt der ENSI-Richtlinien eingeführt werden.

Zusätzlich zu meinen Aufgaben in der Kraftwerksunterstützung bin ich seit Februar 2024 als «Interface Officer» auch der zentrale Kontakt des Weltverbands der Kernkraftwerksbetreiber (World Association of Nuclear Operators) in der Schweiz. Seit 2022 absolvierte ich auch zwei «Peer Reviews» der WANO. In deren Rahmen war ich zusammen mit internationalen Teams jeweils vier Wochen lang in Werken im Ausland zu Gast. Ziel der «Reviews» ist es, voneinander zu lernen und international gesehen die Sicherheit in Kernkraftwerken zu verbessern. Den Austausch mit Fachkräften aus aller Welt erachte ich als sehr wertvoll, wobei ich meine im KKM gemachten Erfahrungen teilen und Neues dazulernen kann.