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05.10.2023

Das WNU-"Summer Institute" und seine Zukunft

Raquel Heredia Silva ist seit 2021 verantwortlich für das Weiterbildungsprogramm der World Nuclear University (WNU). Swissnuclear sprach mit ihr über die Charakteristiken guter Führungspersönlichkeiten, die Zukunft des «Summer Institute» und ihre Vorbilder.

Das WNU-"Summer Institute" und seine Zukunft

Raquel, Du bist seit 2022 «Programme Manager» der WNU. Was verbirgt sich hinter diesem Titel?

Als Programmmanagerin der WNU bzw. zukünftig als Programmverantwortliche der «Leadership and Capacity Development»-Abteilung der World Nuclear Association (WNA) bin ich für die Konzeption und Weiterentwicklung unserer Ausbildungsprogramme verantwortlich. Ich stehe in engem Kontakt zu unseren Referentinnen und Referenten, bereite mit ihnen ihre Beiträge vor und achte darauf, dass sie in den Gesamtkontext unserer Kurse passen. Wichtig ist, dass alle Lektionen und Arbeitsaufträge auf die Entwicklung der Veranstaltungsteilnehmenden zugeschnitten sind. Speziell bin ich für das Programm unseres «Summer Institute» zuständig, bei dem es sich um das Aushängeschild der WNU handelt. Daneben unterstütze ich aber auch andere Bereiche, kümmere mich um logistische Herausforderungen und Budgetfragen.

Was war Deine Motivation, Dich für die Stelle der Programmverantwortlichen der WNU zu bewerben? Was magst Du an Deiner Funktion?

Als ich mich für diese Position beworben habe, wusste ich, dass eine anpassungsfähige und flexible Person gesucht wird, welche sehr unterschiedliche Aufgaben übernehmen sollte. Dies hat mich sehr gereizt und mich motiviert, mich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben. Ich liebe es, Neues zu lernen und kompliziert erscheinende Aufgaben zu lösen. Zudem bringe ich einen breiten Erfahrungsschatz mit, der mir dabei hilft, Probleme anzugehen und Herausforderungen zu meistern.

Ein weiterer Bewerbungsgrund war, dass ich mich bereits viele Jahre in der Welt der Kernenergie bewegt habe und die WNA ebenso wie die WNU sowie das «Summer Institute» bereits kannte. Ich wusste um ihre Bedeutung für die Kernenergiebranche und für die Förderung von Talenten sowie Führungspersönlichkeiten. Ich möchte etwas bewegen und unser Verständnis als Kernenergie-Gemeinschaft fördern. Gerade mit Blick auf die Herausforderungen, mit denen wir uns konfrontiert sehen, zum Beispiel den Klimawandel, macht es Sinn, nicht nur als Individuen zu handeln, sondern sich als Teil eines grösseren Ganzen zu verstehen. Die WNU und die WNA schaffen die Möglichkeit, dass sich Leute mit den unterschiedlichsten Lebensläufen begegnen, sich entwickeln und gemeinsam eine Idee entwickeln.

Das «Summer Institute» ist das Aushängeschild der WNU. Auf welche Aspekte fokussiert das Kursprogramm? Welche Ziele werden verfolgt?

Das «Summer Institute» gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit, in einer geschützten Umgebung Neues auszuprobieren, Fehler zu machen und darauf aufbauend neue Kenntnisse zu gewinnen. Das Fundament des bisherigen Programms bilden drei Teilbereiche: Leadership, Kommunikation und ein gesamtheitliches Verständnis der Welt der Kernenergie. Die drei Grundpfeiler sind eng miteinander verknüpft und werden dementsprechend auch nicht gesondert voneinander thematisiert.

Wir geben den Kursteilnehmenden Werkzeuge mit auf ihren Weg, um erfolgreich ihre Laufbahn oder Karriere als Führungskraft bestreiten zu können. Wichtig für uns ist, dass es in unseren Kursen kein Konkurrenz-Klima gibt, sondern, dass sich alle Teilnehmenden frei entfalten können und sich nicht davor fürchten müssen, Fehler zu begehen. Das «Summer Institute» gibt zudem die Möglichkeit, sich mit gestandenen Führungskräften der Branche auszutauschen und von ihrem Erfahrungsschatz zu profitieren.

Wie würdest Du eine gute Führungspersönlichkeit charakterisieren? Gibt es so etwas wie schlechtes «Leadership»?

Es gibt kein Patentrezept für gutes «Leadership». Ein Führungsstil ist etwas sehr Persönliches und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist, dass man eine Gruppe von Menschen inspirieren und motivieren kann, um das Beste zu geben und gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Als gute Führungspersonen müssen wir uns auch bewusst sein, dass wir nicht alles alleine erledigen können und auch nicht immer an vorderster Front mit dabei sein müssen.

Gute «Leader» erkennen, wenn sie einen Schritt zurück machen sollten, um andere Personen, beispielsweise Spezialistinnen und Spezialisten, zu Wort kommen zu lassen, und wenn jemand Potenzial zeigt, Führungsverantwortung zu übernehmen. Herausragende Führungspersönlichkeiten wissen, andere Personen zu ermutigen, selber hervorzutreten und sich Herausforderungen zu stellen.

Im Falle von negativ konnotiertem Führungsverhalten stellt sich generell die Frage, ob der Begriff «Leadership» überhaupt noch darauf zutrifft. Schlechtes Führungsverhalten äussert sich beispielsweise dadurch, dass nur noch Befehle herumgebrüllt werden oder dass die vermeintlichen «Leader» alle Aufgaben an sich reissen.

Welches sind Deine persönlichen Vorbilder, die Dich als «Leader» inspiriert haben?

Spontan würde ich meine Mutter als erstes Vorbild nennen. Sie ist eine hart arbeitende Persönlichkeit, die sich für ihre Ziele einsetzt und bereit ist, für deren Erreichung einen weiten Weg zu gehen. Ich bewundere sie sehr für ihre Hingabe und ihren starken Willen. Mein zweites Vorbild ist Sama Bilbao y León, die ich bereits vor meinem Arbeitsbeginn bei der WNU schätzen lernte. Ich erinnere mich, dass ich sie zum ersten Mal bei einem Symposium sprechen hörte. Ihre Botschaften haben mich überzeugt und mitgerissen. Sie ist eine herausragende Führungspersönlichkeit, die andere inspiriert und sich mit Leidenschaft für ihre Ziele aber auch für die Gesellschaft als Ganzes einsetzt.

«Experimental Learning Activities» sind ein fester Bestandteil des «Summer Institute». Was ist darunter zu verstehen?

Bei den «Experimental Learning Activities» (ELAs) handelt es sich um Aufgabenstellungen, die von den Teilnehmenden des «Summer Institute» in Gruppen bearbeitet werden. Die Aufträge sind so formuliert, dass im Rahmen vorangegangener Vorträge vermitteltes Wissen praktisch angewendet werden kann. Den Kursteilnehmenden steht nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung, um beispielsweise eine Präsentation oder eine Pressemitteilung zu erarbeiten. Dementsprechend geht es auch darum, dass die Gruppen lernen, mit begrenzten Zeitverhältnissen umzugehen und relevante von unwichtigen Informationen zu trennen. Die Kursteilnehmenden sollen erkennen, dass es nicht darum geht, ein perfektes Ergebnis zu erarbeiten, sondern ein der verfügbaren Zeit entsprechendes Produkt. Im Verlauf der ELAs sollen sie ihr Verständnis vertiefen, Zusammenhänge zwischen einzelnen Themen erkennen und Schlüsselkompetenzen trainieren, zum Beispiel in den Bereichen Kommunikation oder vernetztes Denken.

«Diversity» ist ein Begriff, der in Zusammenhang mit dem «Summer Institute» häufiger zu hören ist. Weshalb?

2023 absolvierten über 60 Menschen aus den verschiedensten Ländern das «Summer Institute». Die Teilnehmenden arbeiten in Arbeitsgruppen zusammen, die divers zusammengesetzt sind. Wir achten darauf, dass in allen Teams Menschen aus verschiedenen Ländern und Organisationen sowie mit unterschiedlichen Hintergründen vertreten sind. Die Gruppenmitglieder lernen im Verlauf des Programms, mit unterschiedlichen Meinungen sowie Ideen umzugehen und schärfen damit ihre Fähigkeiten im Bereich der interpersonellen Kommunikation. Auch wenn die Arbeit in Gruppen zu Beginn des Kurses teils herausfordernd sein kann, verstehen die Teilnehmenden mit der Zeit, wie wichtig und bereichernd divers zusammengesetzte Teams sind. Es ist ein Lernprozess, da die meisten Teilnehmenden zuvor noch nie mit so vielen verschiedenen Nationalitäten, Sprachen und Meinungen konfrontiert gewesen sind. Sie werden gewissermassen ins kalte Wasser geworfen und lernen im Zuge der ELAs aber auch anderer Aktivitäten, mit der Situation umzugehen und einen Nutzen daraus zu ziehen.

Zudem ist zu bemerken, dass die Arbeitsgruppen einen normalen Teambildungsprozess durchlaufen. Zunächst lernen sich die Teilnehmenden kennen, sind offen und motiviert. Nach einiger Zeit treten Meinungsverschiedenheiten und Reibereien auf. Sobald diese geklärt und die Zusammenarbeit normiert ist, können die Arbeitsgruppen produktiv arbeiten und ihre Erfolge geniessen. Konflikte sind absolut normal und treten auch dann auf, wenn man sich grösste Mühe gibt, ein harmonisches Arbeitsumfeld zu schaffen. Die Teilnehmenden lernen im Verlauf des Prozesses, mit schwierigen Situationen umzugehen und in einer dynamischen Umgebung das eigene Team auf Kurs zu halten.

Kommunikation ist eines der Kernthemen des «Summer Institute». Worauf fokussiert die Ausbildung in diesem Bereich?

Wenn wir über Kommunikation sprechen, dann reden wir bei der WNU sowohl über externe wie auch interne Kommunikation. Die interne Kommunikation als solche geht leider oftmals vergessen, weshalb wir grossen Wert darauf legen, auch dieses Thema zu beachten. Es geht darum, den Kursteilnehmenden zu vermitteln, dass sie je nach Adressat einer Nachricht bzw. je nach Publikum anders kommunizieren müssen, damit die beabsichtigten Informationen auch aufgenommen werden. Beispielsweise trainieren wir dies im Rahmen von Rollenspielen, wenn es etwa darum geht, Mitarbeitenden konstruktives Feedback zu geben oder Konflikte am Arbeitsplatz zu lösen. In Zukunft möchten wir den Kommunikationsaspekt höher gewichten und tiefer ins Thema einsteigen, schliesslich müssen Führungskräfte, wenn sie erfolgreich sein wollen, auch gute Kommunikatoren sein.

Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse, welche die Teilnehmenden des «Summer Institute» nach Hause nehmen sollten?

Ich wünsche mir, dass alle Teilnehmenden des «Summer Institute» verstehen, dass egal was wir tun, wir das Leben anderer Menschen beeinflussen. Das Verständnis für zwischenmenschliche Aspekte ist von grosser Bedeutung und es ist wichtig, dass wir uns bewusst sind, dass wir jederzeit kommunizieren, egal ob wir uns verbal äussern oder sich Gedanken und Gefühle durch unsere Mimik sowie Körperhaltung äussern. Insbesondere in einem internationalen Kontext müssen wir uns dessen bewusst sein, da wir nicht nur uns selbst vertreten, sondern auch unsere Arbeitgeber, unsere Organisationen oder die Länder, aus denen wir stammen.

Ein weiterer Punkt, der mir am Herz liegt, ist Diversität. Damit meine ich nicht nur Unterschiede, die sich durch die Farbe des Passes äussert, sondern auch Vielfalt an Meinungen und Ideen. Wichtig ist, dass man reflektiert und sich mit den Ursprüngen seiner Ansichten auseinandersetzt. Es gibt so viele unterschiedliche Einflüsse, die sich auf unsere Gedankengänge und Überlegungen auswirken. Mir ist wichtig, dass die Kursteilnehmenden dies verstehen und erkennen, welchen Wert Diversität für die Produktivität unserer Unternehmen und Organisationen ebenso wie für die Gesellschaft als Ganzes hat.

Wird sich das «Summer Institute» in den kommenden Jahren weiterentwickeln? Sind bereits bestimmte Veränderungen geplant?

Wir wollen weiterhin von Jahr zu Jahr Anpassungen vornehmen und das Programm weiterentwickeln, um es noch besser zu machen und den Lernerfolg der Kursteilnehmenden zu erhöhen. Eine Erkenntnis ist, dass wir noch besser kommunizieren, wie das «Summer Institute» aufgebaut ist und wie hoch der Arbeitsaufwand für die Kursteilnehmenden sein wird. Wir haben festgestellt, dass viele Absolventinnen und Absolventen unserer Sommerveranstaltung gleichzeitig zum Weiterbildungsprogramm auch noch Arbeitsaufträge aus den eigenen Unternehmen erledigen und sich somit nicht voll und ganz auf das Programm einlassen können. Darunter leidet am Ende meistens der Networking-Aspekt. Dies ist insofern schade, als dass die Kursteilnehmenden im Verlauf ihrer beruflichen Laufbahn wahrscheinlich nicht noch einmal die Gelegenheit haben werden, um sich fünf Wochen lang mit anderen Führungskräften auszutauschen und ein die Erdkugel umfassendes Netzwerk aufzubauen.

Ausgehend von den in diesem Jahr gemachten Erfahrungen möchten wir neben den drei bereits existierenden Kernbereichen unseres Weiterbildungsprogramms den Fokus vermehrt auf das Thema Innovation legen. Diesbezüglich möchten wir uns nicht nur mit technischen Neuerungen und Forschungsvorhaben beschäftigen, sondern auch mit innovativen Ansätzen in anderen Bereichen. Abgesehen davon möchten wir den sogenannten «Soft Skills» und deren Entwicklung mehr Beachtung schenken, da diese unabhängig vom Aufgabenbereich oder der Funktion einer Person wichtig sind, um erfolgreich zu sein.

Anfang September wurde in London das zwanzigjährige Jubiläum der WNU begangen. Wo siehst Du das «Summer Institute» 2043?

Dies ist eine gute Frage, da 20 Jahre doch eine verhältnismässig lange Zeit sind, in der viel passieren kann. Ich würde mir wünschen, dass wir 2043 die Herausforderungen in Zusammenhang mit dem Klimawandel gelöst haben oder zumindest auf einem guten Weg dahin sind und das Thema im Rahmen des «Summer Institute» dementsprechend in den Hintergrund rücken kann. Des Weiteren würde ich mich darüber freuen, wenn sich die Kernenergiebranche in 20 Jahren diverser und inklusiver präsentiert, als dies heute der Fall ist. Ebenfalls wünsche ich mir, dass das Netzwerk der Alumni weiterwächst, Verbindungen intensiviert werden und es noch stärker zu einem Erfahrungsaustausch zwischen jüngeren sowie älteren Generationen kommt.